Allgemeines

Bewertungen stehen zunehmend im Fokus steuerlicher Betriebsprüfungen. Im Unterschied zum materiellen Steuerrecht sind Bewertungen oftmals getragen von verschiedenen Bewertungsprämissen. Trotz der Erforderlichkeit der Objektvierung der Prämissen bilden diese stets eine Bandbreite und damit einen gewissen Bewertungsspielraum.

Die Finanzbehörden haben in den letzten Jahren Bewertungsspezialisten ausgebildet, um auf Augenhöhe mit den Steuerpflichtigen und deren Beratern über Bewertungsfragen zu diskutieren. Durch die höhere Aufgriffsdichte besteht gerade bei Bewertungen ein nicht zu unterschätzendes Steuerrisiko, wenn zentrale Bewertungsprämissen nicht fundiert begründet werden können oder eine Bewertungsmethode insgesamt als nicht anwendbar eingestuft wird.

Wahl einer geeigneten Bewertungsmethode

Für steuerliche Zwecke sind zu Beginn einer jeden Bewertung der konkrete Bewertungsanlass und die maßgebliche gesetzliche Norm festzustellen. Denn in Abhängigkeit der anzuwenden Norm unterscheidet das deutsche Steuerrecht zwischen Marktpreisen (§ 11 Abs. 1 und 2 Satz 2 BewG) dem gemeinen Wert (§ 9 BewG), Teilwerten (§ 10 BewG; § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) oder aber auch Fremdvergleichspreispreisen (§ 1 AStG).

Zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben kann grundsätzlich auf verschiedene betriebswirtschaftliche Bewertungsmethoden zurückgegriffen werden, wobei in Abhängigkeit der gesetzlichen Vorgaben (z.B. gemeiner Wert vs. Fremdvergleichspreis) oder den spezifischen Rahmenbedingungen (z.B. Branche, Rechtsform, inhabergeführte Gesellschaften) Besonderheiten bei der Umsetzung der jeweiligen Methoden (Modifikationen) zu beachten sein können.

In der Praxis stellt sich allerdings schnell die Frage, welche Methode für den individuellen Bewertungsanlass am besten geeignet ist. So hat bspw. das OLG Stuttgart in Bezug auf die Ermittlung des Verkehrswerts einer Aktie festgestellt, dass es „weder eine als einzig richtig anerkannte Methode“ gebe noch „eine der gebräuchlichen Methoden in der Wirtschaftswissenschaft unumstritten“ sei. Folglich ist bei der Wahl der Bewertungsmethode sowie einer Verteidigung der Methoden- und Parameterwahl im Rahmen einer Betriebsprüfung entscheidend, dass die Gründe für die Wahl einer Bewertungsmethode sowie der jeweiligen Bewertungsparameter dokumentiert und bestenfalls durch geeignete Nachweise untermauert werden. Die nachstehende Auflistung enthält eine nicht abschließende Auflistung an potentiellen Selektionskriterien:

  • Verfügbarkeit hinreichend vergleichbarer Markt- bzw. Transaktionsdaten (z.B. Börsenpreise, zeitnahe Anteilsverkaufspreise, Grundstückspreise)?
  • Verfügbarkeit und Qualität unternehmensspezifischer Daten und Informationen (z.B. Umsatz- und Ertragsprognose, Geschäftsmodell, Organisationsstruktur) sowie über exogene Rahmenbedingungen (z.B. Regionen, Märkte, Kunden, Wettbewerb)?
  • Sind ggf. Anpassungsrechnungen möglich, um eine hinreichende Vergleichbarkeit der Marktdaten herzustellen (z.B. Fungibilitätsanpassungen; Paketzuschläge; Bewertungsabschläge)?
  • Werden Branchenspezifika und branchenspezifische Bewertungsverfahren durch eine Methode besser berücksichtigt?

Auch wenn es nicht eine richtige anerkannte Methode gibt, so ist dennoch grundsätzlich festzustellen, dass bei Vorliegen einer hohen Datengüte und Datenvergleichbarkeit – ggf. nach sachgerechten Anpassungsrechnungen – davon auszugehen ist, dass die marktbasierten Bewertungsverfahren bevorzugt anzuwenden sind.

Allerdings ist die Datenverfügbarkeit bei diesen marktbasierten Bewertungsverfahren in der Praxis mit Ausnahme börsennotierter Unternehmen oftmals eingeschränkt, weshalb häufig auf kapitalwertorientierte Bewertungsverfahren zurückgegriffen wird. Kapitalwertmethoden finden sowohl in ihrer Reinform als auch als branchenspezifische Bewertungsverfahren mit branchenspezifischen Modifikationen Anwendung, welche durch die jeweiligen Standesorganisation empfohlen und verbreitet angewendet werden. Zu beachten ist allerdings auch bei letzteren Methoden, dass diese keinen Ausschließlichkeitsanspruch erheben, denn der Anwendungsbereich der von jeweiligen Standesorganisationen veröffentlichten Empfehlungen beschränkt sich per Definition auf branchentypische Betriebe. Abweichungen vom Branchentypus, insbesondere hinsichtlich Größe, Rechtsform und Umfeldbedingungen, können daher im Einzelfall die Anwendung eines modifizierten Ertragswertverfahrens notwendig machen.

Praktische Herausforderungen in Betriebsprüfungen und Themenfelder

Der Bewerter hat sowohl bei der Wahl des Bewertungsverfahrens als auch den Bewertungsparametern diverse Freiheitsgrade, welche ihm einen Bewertungsspielraum ermöglichen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Bewertungen stärker in den Fokus von Betriebsprüfungen rücken und kontroverse Diskussionen auslösen. Bereits an dieser Stelle sei angemerkt, dass die Hürde für Anpassungen seitens der Betriebsprüfungen aufgrund der Beweislastverteilung hoch gehängt sind und es für eine Einkünfteerhöhung nicht ausreichend ist, wenn die Betriebsprüfung ihre Anpassung lediglich andere „plausible“ Bewertungsparameter stützen möchten.

Denn ein stichtagsbezogener Unternehmenswert wird immer innerhalb einer Bandbreite von möglichen Werten liegen, da der „wahre“ Unternehmenswert aufgrund der Ungenauigkeiten der Prognosemethoden häufig nur als Näherungswert innerhalb einer Bandbreite ermittelt werden kann (Vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.7.2008 – 12 W 16/02, AG 2009). Einen wahren, allein richtigen Unternehmenswert auf Basis einer Kapitalwertmethode kann es auch deshalb nicht geben, weil dieser von den zukünftigen Erträgen der Gesellschaft sowie einem in die Zukunft gerichteten Kapitalisierungszins abhängig ist und die zukünftige Entwicklung nicht mit Sicherheit vorhersehbar ist. Entsprechend führen die zahlreichen prognostischen Schätzungen und methodischen Einzelentscheidungen, die Grundlage einer jeden Unternehmensbewertung sind und zwingend sein müssen, im Ergebnis dazu, dass die Wertermittlung insgesamt keinem Richtigkeits-, sondern nur einem Vertretbarkeitsurteil zugänglich ist. Soweit gleichwohl in manchen – auch verfassungsgerichtlichen Entscheidungen – von dem „richtigen“, „wahren“ oder „wirklichen Wert“ der Beteiligung die Rede ist, ist dies im Sinne einer Wertspanne zu verstehen, weil weder verfassungsrechtlich noch höchstrichterlich etwas gefordert wird, was tatsächlich unmöglich ist, nämlich einen einzelnen Unternehmenswert als allein zutreffend zu identifizieren (LG Frankfurt, Beschl. v. 25.11.2014)

In Abhängigkeit des Bewertungsobjekts und ggf. der Größe des Unternehmens (Steuerpflichtigen) ergeben sich in Abhängigkeit der gewählten Methode für die Bewertungen verschiedene praktische Herausforderungen. Im Grundsatz geht mit „simpleren“ Bewertungsverfahren ein Verlust an Nachvollziehbarkeit und Präzession einher. Im Unterschied dazu sind bei „komplexeren“ Bewertungsverfahren eine Vielzahl von Annahmen zu treffen. Der hohen Nachvollziehbarkeit der Wertermittlung und Transparenz in Bezug auf die einzelnen Bewertungsparameter stehen ein erheblicher Ermittlungsaufwand sowie ein immanenter Auslegungsspielraum in Bezug auf die einzelnen Bewertungsparameter gegenüber. In Bezug auf die gängigen Bewertungsverfahren werden nachstehend verschiedene Themenfelder aufgezeigt und in den folgenden Kapiteln diskutiert, welche insbesondere in steuerlichen Betriebsprüfungen zunehmende Relevanz beizumessen ist:

  • Marktbewertungsverfahren
  • Kapitalwertmethoden (z.B. Ertragswertverfahren; Discounted-Cashflow-Methode)
  • Vereinfachtes Ertragswertverfahren

 

Waren diese bewertungsrelevanten Themen in der Vergangenheit aufgrund der stärker steuerjuristisch geprägten Ausbildung von Finanzbeamten oftmals mit einfachen „Bordmitteln“ abzuhandeln, sieht man sich heutzutage vermehrt mit qualifizierten Rückfragen zu diesem Themenbereich konfrontiert. Steuerpflichtige wie Berater müssen somit verstärkt auch betriebswirtschaftliche und ökonomische Expertise in diesen Bereichen aufbauen und bereit sein, für diese Aufgaben mehr Ressourcen bereitzustellen als in der Vergangenheit.

Methodenüberblick

Marktbewertungsverfahren

Marktbewertungsverfahren sind bevorzugt anzuwenden, wenn hinreichend vergleichbare Marktdaten verfügbar sind, siehe bspw. § 11 BewG, § 1 Abs. 3 AStG. In diesem Falle entspricht der Wert dem Preis, welcher am Markt für dasselbe oder ein hinreichend vergleichbares Unternehmen bzw. Wirtschaftsgut erzielt wurde. In Abgrenzung zu den kapitalwertorientierten Methoden sind bei Marktbewertungsverfahren auch das marktwirtschaftliche Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage im Bewertungskalkül abgebildet. Bei der Anwendung dieser Bewertungsmethoden sind die in den folgenden Unterabschnitten erläuterten Aspekte insbesondere vor dem Hintergrund einer steuerlichen Betriebsprüfung abzuwägen.

Theoretisch ist die Wertermittlung auf Basis von Marktbewertungsverfahren (z.B. Börsenkursen oder Verkaufsgeschäften) die präferierte Bewertungsmethode, da diese den marktspezifischen Interessensausgleichsmechanismus zwischen Käufer und Verkäufer berücksichtigen. Diesem Vorteil steht in der Praxis allerdings häufig die Schwierigkeit gegenüber, eine hinreichende Vergleichbarkeit zum Bewertungsobjekt sicherzustellen.

Daher ist der Grad der Vergleichbarkeit daraufhin zu überprüfen, ob eine hinreichende Vergleichbarkeit der Referenzwerte mit dem Bewertungsobjekt gegeben ist oder Abweichungen in den preisbildenden Faktoren ggf. durch sachgerechte Anpassungsrechnungen korrigiert werden können. Somit bilden die tatsächlich beobachteten Marktpreise den Ausgangspunkt für die Bewertung, wobei ggf. Anpassungen etwa für divergierende Bedingungen der jeweils zugrunde liegenden Geschäftsvorfälle oder sich (im Zeitablauf) verändernder Rahmenbedingungen.

Kann keine hinreichende Vergleichbarkeit zwischen Bewertungsobjekt und dem beobachteten Marktpreis hergestellt werden, so erweist sich diese Methode als nicht sachgerecht und muss verworfen werden. Aufgrund der sehr hohen Sensitivität dieser Methode hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Markttransaktion zum Bewertungsobjekt ist dieser Themenkomplex nicht selten Streitpunkt in steuerlichen Betriebsprüfungen und macht die Empfehlung weitere komplementäre Verprobungen anzustellen deutlich.

 

Kapitalwertmethoden

Kapitalwertmethoden, insb. die Ertragswertmethode und die Discounted Cashflow Methoden, sind in Rechtsprechung und Literatur als geeignete Bewertungsverfahren akzeptiert, wobei grundsätzlich auch andere anerkannte, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke übliche Methoden herangezogen werden können. Der Anwendungsbereich für diese Methoden ist regelmäßig dann eröffnet, wenn keine hinreichend vergleichbaren Marktdaten (insb. Kurswerte oder Verkaufspreise) für das maßgebliche Bewertungsobjekt (z.B. Unternehmensanteil, (Teil-)Betrieb, Funktion, immaterielles Wirtschaftsgut) vorliegen.

Die Kapitalwertmethoden basieren auf der Überlegung, dass sich der Wert eines Bewertungsobjekts primär aus den durch das Bewertungsobjekt zukünftig realisierbaren finanziellen Überschüssen ergibt (Zukunftserfolgswert). Präziser sind im Rahmen der Barwertermittlung die am Bewertungsstichtag erwarteten zukünftigen finanziellen Überschüsse während der wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Bewertungsobjekts („Kapitalisierungszeitraum“) zu ermitteln und mit einem angemessenen Zinssatz zu diskontieren („Kapitalisierungszinssatz“).

Die Kapitalwertmethoden sind keine in sich geschlossenen Bewertungsverfahren mit festen Vorgaben für die Parameterauswahl und die Verfahrensmethodik. Stattdessen folgen diese einem „Baukastensystem“ mit unterschiedlich granularen Bewertungsparametern, so dass es infolge der hohen Freiheitsgrade bei der Parameterwahl nicht den einen richtigen Wert geben kann, sondern sich eine Bandbreite möglicher Werte in Abhängigkeit des jeweiligen Bewertungsanlasses ergeben kann. Die gewählten Bewertungsparameter sowie der sich ergebende Wert müssen innerhalb einer Bandbreite vertretbarer Werte liegen, damit diese von den Finanzbehörden akzeptiert werden. Allerdings sind die zahlreichen Stellschrauben der Bewertung (Parameterwahl) oftmals der Auslöser für kontroverse Diskussionen in steuerlichen Betriebsprüfungen.

Vereinfachtes Ertragswertverfahren

Das vereinfachte Ertragswertverfahren (§§ 199 ff. BewG) kommt in der Praxis sehr häufig anstelle der üblichen Kapitalwertmethoden nach IDW S 1 bei der Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften als auch für die Bewertung von Betriebsvermögen kleinerer Unternehmen zur Anwendung. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt in seiner geringeren Komplexität und des höheren Grads an Standardisierung, wodurch Bewertungen zeit- und kostengünstiger durchgeführt und die Diskussionspunkte mit den Steuerbehörden reduziert werden können. Dem steht allerdings der Nachteil geringerer Freiheitsgrade bei der Wahl der Bewertungsparameter und der tendenziell profiskalischen Vorgabe zentraler Bewertungsparameter entgegen.

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Ausführlich widmen wir uns diesem spannenden Themenkomplex in unserem Beitrag im Handbuch “Steuerliche Betriebsprüfung” von Hruschka/Peters/von Freeden und diskutieren zentrale Fragestellungen im Kontext der Bewertung von Betrieben, Funktionen und immateriellen Werten.

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