Allgemeines

Mit den Verwaltungsgrundsätzen Verrechnungspreise („VerwGr-TP“) vom 14.07.2021 hat das BMF dem Fremdvergleichsgrundsatz aus Sicht der Finanzverwaltung ein neues Fundament gegeben. Zielsetzung der neuen VerwGr-TP ist eine Internationalisierung des deutschen Fremdvergleichsgrundsatzes durch eine grundsätzliche Verweisung auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien (OECD-TPG). Damit soll die Auslegung von Verrechnungspreisleitlinien stärker nach Maßgabe der OECD-TPG erfolgen und dazu beitragen, Doppelbesteuerungsrisiken grenzüberschreitend tätiger Unternehmensgruppen zu verringern.

Die VerwGr-TP ersetzen einen Großteil der seit 1983 ergangenen BMF Schreiben zum Thema Verrechnungspreise (siehe hierzu Kap. VI VerwGr-TP) und konsolidieren die Verwaltungsauffassung weitestgehend in einem Schreiben. Auf den ersten Blick erscheinen die 44-Seiten umfassenden VerwGr-TP überschaubar . Allerdings sind die OECD-TPG als Anlage den VerwGr-TP beigefügt, sodass sich der Gesamtumfang auf stolze 752 Seiten ausweitet.

Wie im Folgenden an einigen Themenkomplexen weiter ausgeführt wird, weichen die VerwGr-TP doch an verschiedenen Stellen von den internationalen OECD-TPG ab.

Kern des Fremdvergleichsgrundsatzes

Denkfigur des doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters

Die Finanzverwaltung entwickelt den Fremdvergleichsgrundsatz in den VerwGr-TP fort, indem sie die Denkfigur des doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nunmehr jeder Geschäftsbeziehung zugrunde legen möchte (Tz. 3.1). Dies ist so grundsätzlich auch in § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG angelegt. Allerdings kann zumindest bezweifelt werden, ob die deutsche Interpretation der Anwendung dieser Denkfigur, der alle wesentlichen Umstände einer Geschäftsbeziehung kennt (Hellseherklausel), im Einklang mit der internationalen Auslegung der OECD steht. Insbesondere bei den Standardmethoden stellt sich die Problematik, dass diese die Marge lediglich eines Transaktionspartners überprüfen und die Forderung einer zweiseitigen Betrachtung in einem inhaltlichen Widerspruch zu diesen Methoden steht. Allerdings kann es u.E. durchaus sachgerecht sein, die Gesamtprofitabilität einer Transaktionsgruppe bei der Ermittlung eines Fremdvergleichspreises zu berücksichtigen. 

Fremdvergleichsgrundsatz und Konzernzugehörigkeit 

Die VerwGr-TP geben ausführliche Hinweise, wie die dem Fremdvergleichsgrundsatz zugrunde liegende Selbstständigkeitsfiktion in Einklang zu bringen ist, mit dem wirtschaftlichen Gebilde des Konzerns. Es sind nicht die Gewinne zu ermitteln, die der Steuerpflichtige erzielt hätte, wenn er gänzlich unabhängig gewesen wäre, sondern diejenigen, die er als ein einer Unternehmensgruppe zugehöriges Unternehmen bei Vereinbarung von Bedingungen wie zwischen voneinander unabhängigen Dritten erzielt hätte. Umstände, die auf die Tatsache der Konzernzugehörigkeit oder der Zugehörigkeit zu einer multinationalen Unternehmensgruppe zurückzuführen sind, berechtigen allein nicht zu einer Einkünfteberichtigung. Insbesondere sind auch die rechtlichen Gegebenheiten als Umstand hinzunehmen, die den Preis zwischen einander nahestehenden Personen beeinflussen können, aber nicht auf Bedingungen beruhen, die zwischen den nahestehenden Personen vereinbart worden sind (Tz. 3.4).

Internationale Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes

Zwischen der Rechtsprechung und der Finanzverwaltung besteht seit Jahren Uneinigkeit darüber, ob das Abkommensrecht statisch oder dynamisch auszulegen ist. In Bezug auf den Fremdvergleichsgrundsatz möchte die Finanzverwaltung diese Problemstellung umgehen, indem sie den Fremdvergleichsgrundsatz als zeit- und kontextabhängiges ökonomisches Prinzip dieser Fragestellung entzieht. Somit sind nach Ansicht der Finanzverwaltung stets die OECD-TPG in ihrer aktuellsten Fassung bei der Auslegung von Art. 9 OECD-MA zu berücksichtigen.

Ob diese Auslegung auch durch die Rechtsprechung geteilt wird, ist u.E. eher zweifelhaft. Insbesondere wenn sich im Zeitablauf erheblich verschärfende und auch international kontroverse Regelungen in den OECD-TPG ändern oder neu hinzukommen (z.B. bei Finanzierungstransaktionen), ist fraglich, ob diese unmittelbar eine Einkünftekorrektur begründen können. Insbesondere bei Finanztransaktionen ist dies von hoher praktischer Bedeutung, da die Verträge in der Regel langfristig ausgestaltet sind und zumindest für bestehende Verträge ein Bestandsschutz gewährt werden sollte. 

Vergleichbarkeitsanalyse

Umsetzung und Dokumentation

In Bezug auf die für die Vergleichbarkeitsanalyse zu analysierenden Faktoren gibt es per se keine wesentlichen Neuerungen (Tz. 3.19). Allerdings beschreibt Tz. 3.20 die Anforderungen der deutschen Finanzverwaltung an eine sachgerechte Durchführung der Vergleichbarkeitsanalyse, wodurch sich der Dokumentationsaufwand für die Steuerpflichtigen künftig erhöhen dürfte. Damit einhergehend ist es Steuerpflichtigen zu empfehlen, die Gründe für die Auswahl einer Verrechnungspreismethode unter Abwägung der verschiedenen Faktoren der Vergleichbarkeitsanalyse sowie der Datenverfügbarkeit zu dokumentieren; im Unterschied zur international bekannten „Best Method Rule“ scheint eine Dokumentation der “Ungeeignetheit” anderer Verrechnungspreismethoden nicht erforderlich zu sein.

Risiko-Kontroll-Ansatz als Herzstück der Funktions- und Risikoanalyse

Zentrales Element der Vergleichbarkeitsanalyse bildet weiterhin die Funktions- und Risikoanalyse. Der sog. „Risiko-Kontroll-Ansatz“ soll nach Ansicht der Verwaltung bei dieser Analyse eine noch wichtigere Stellung einnehmen. Demnach ist die Zuordnung von Risiken weniger von den vertraglichen Gestaltungen als mehr von den (Personal-)Funktionen zur Kontrolle der Risiken sowie den finanziellen Mitteln zur Übernahme von Risiken abhängig. Die Risikoverteilung entsprechend den vertraglichen Regelungen zwischen Konzerngesellschaften bildet hierbei den Startpunkt der Risikoanalyse. Die sich aus den Verträgen ergebende Risikoverteilung ist daraufhin zu überprüfen, ob die Konzerngesellschaften die personellen Ressourcen sowie die tatsächliche Möglichkeit zur Kontrolle von Risiken und die finanziellen Mittel zur Tragung von Risiken haben (Tz. 3.6). Hierzu ist es regelmäßig erforderlich, dass die Entscheidungsträger die erforderlichen Erfahrungen und Kompetenzen zur Risikokontrolle haben und über eine ausreichende Informationsbasis verfügen. Sollte die vertraglich beschriebene Risikoallokation von der tatsächlichen Möglichkeit zur Risikokontrolle und der finanziellen Risikotragfähigkeit der Konzerngesellschaften abweichen, ist für Verrechnungspreiszwecke eine Adjustierung der vertraglichen Risikoverteilung bei der Ermittlung von Fremdvergleichspreisen vorzunehme

Realistische Handlungsoptionen

Bei der Durchführung des Fremdvergleichs sind nach Tz. 3.8 die realistischerweise zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen einzubeziehen. Dieser anerkannte Grundsatz kann u.a. bei der Nutzungsüberlassung immaterieller Werte aber auch bei der Kündigung von Geschäftsbeziehungen mit Routine-Gesellschaften (Routine-Vertriebsgesellschaft, Auftragsfertiger, Routine-Dienstleister) im Hinblick auf die Einschränkung der Transferpaketbesteuerung eine hohe praktische Bedeutung haben. Das Bekenntnis der Finanzverwaltung zu diesen Grundsätzen – insbesondere auch im Hinblick auf die Funktionsverlagerungsbesteuerung – ist zu begrüßen. 

Zeitpunkt des Fremdvergleichs

Bezugnehmend auf die neue gesetzliche Forderung in § 1 Abs. 3 AStG unterstreichen auch die VerwGr-TP, dass der maßgebende Zeitpunkt für den Fremdvergleich grundsätzlich der Abschluss des Vertrags ist. Zugleich wird in Tz. 3.38 VerwGr-TP klargestellt, dass sich der Steuerpflichtige auch auf nachträglich bekannt gewordene externe Vergleichswerte stützen kann, soweit sich diese auf den Zeitpunkt der Vereinbarung des Geschäftsvorfalls beziehen. Dies ist besonders für Datenbankstudien relevant, welche erst Jahre später die Finanzkennzahlen von Vergleichsunternehmens eines Jahres bereitstellen können.

Wenig konkret sind die VerwGr-TP allerdings zu der Fragestellung, ob im Rahmen einer nachträglichen Überprüfung der tatsächlich erzielten Einkünfte auf das kumulierte Jahresergebnis einer Transaktionsgruppe abgestellt werden kann (Outcome Testing). Diese international anerkannte Praxis sollte u.E. weiterhin akzeptiert werden und der “maßgebliche Zeitpunkt” grundsätzlich auf ein Jahr beziehen können. Dies wird u.E. implizit auch durch die Ausführungen in Tz. 3.21 bestätigt, wonach grundsätzlich Mehrjahresvergleiche anzuerkennen sind, wenn diese zu einer besseren Qualität der Vergleichswerte führen als die Betrachtung von Vergleichswerten nur eines Wirtschaftsjahres.

Tz. 3.40 VerwGr-TP führt aus, dass innerbetriebliche Plandaten und ein darauf gestützter Fremdvergleich grundsätzlich zur Bestimmung der Verrechnungspreise geeignet sein können (Price-Setting-Ansatz). Dies entspricht auch dem fremdüblichen Verhalten fremder Dritter, die in der Regel Kundenpreise auf der Grundlage von planzahlengestützten Preislisten festsetzen. Allerdings soll der Price-Setting-Ansatz nach Ansicht der Finanzverwaltung für sich genommen nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz genügen. Stattdessen soll zumindest einmal zum Jahresende ein Soll-Ist-Abgleich der der Planrechnung mit dem tatsächlichen Ergebnis durchgeführt werden (Outcome Testing). Wird auf Basis fremdüblich ermittelter Preislistenpreise im Rahmen eines Outcome Testing Ansatzes ein tatsächliches Ergebnis außerhalb der Bandbreite angemessener Ergebnisses festgestellt (bspw. aufgrund von Volumenschwankungen), so fordert Tz. 3.42 VerwGr-TP eine nachträgliche Anpassung des Ergebnisses (sog. Jahresendanpassung). Damit wird die Bedeutung des Price-Setting Ansatzes entgegen des Wortlauts des § 1 AStG erheblich eingeschränkt. Denn § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG fordert eine Kausalität (“dadurch”) zwischen einer Einkünfteminderung und der Vereinbarung fremdunüblicher Bedingungen . Sind die “vereinbarten Bedingungen” allerdings auf Grundlage einer ex ante Betrachtung als fremdüblich zu qualifizieren, liegt u.E. die geforderte Kausalität mit der Einkünfteminderung nicht mehr vor. Die geringeren Einkünfte sind in diesem Fall nicht auf fremdunübliche Bedingungen, sondern stattdessen auf exogene, nicht durch die nahestehenden Personen beeinflussbaren Faktoren (z.B. konjunkturelle Schwankungen, Nachfragerückgang, Preisanstiege) zurückzuführen.

Verrechnungspreismethode

Basierend auf den Ergebnissen der Vergleichbarkeitsanalyse ist die am besten geeignete Verrechnungspreismethode zu bestimmen. Für den Methodenkasten und die Anforderungen an die einzelnen Verrechnungspreismethoden verweisen die VerwGr-TP auf Kapitel 2 der OECD-TPG (Preisvergleichs, Wiederverkaufs, Kostenaufschlags-, geschäftsvorfallbezogene Nettomargen- und Gewinnaufteilungsmethode). Neben der Umsetzung dieser Methoden in Reinform sieht Tz. 3.10 VerwGr-TP auch explizit eine Kombination mehrerer Methoden im Einzelfall vor.

Zusätzlich öffnet die Finanzverwaltung den Methodik-Baukasten („stellen keine abschließende Aufzählung dar“ Tz. 3.1 VerwGr-TP) für gänzlich neue Ansätze als auch Kombinationen bestehender Methoden. Dies ist vor dem Hintergrund der deutschen Spezialität des hypothetischen Fremdvergleichs (Tz. 3.17 VerwGr-TP) nur konsequent und bietet in der Praxis Raum für alternative ökonomisch anerkannter Bewertungsmethoden (bspw. Realoptionsmodelle oder auch spieltheoretischer Konzepte). Aufzählend werden hier insbesondere Ertragswertmethoden und Discounted-Cashflow-Methoden genannt. Daneben existieren auch weitere anerkannte Bewertungsmethoden (mindestens zur Verprobung), die in der Praxis Anwendung finden wie bspw. das Multikplikatorverfahren. Dies ist zu begrüßen und stärkt den Leitgedanken einer ökonomischen Betrachtungsweise.

Verrechnungspreise in Verlustfällen

Ausführlich befassen sich die VerwGr-TP mit Verrechnungspreisen in Verlustfällen bei nicht Strategieträgern in Tz. 3.31 ff. VerwGr-TP. Grundsätzlich ist dem BMF in Einklang mit der betriebswirtschaftlichen Lehre darin zuzustimmen, dass Unternehmen nach Gewinnen streben und eine entsprechende Gewinnerzielungsabsicht verfolgen. Mithin sollte das Unternehmen bestrebt sein, insgesamt einen Totalgewinn zu erzielen.

Der maßgebliche Zeitraum für den Nachweis einer Gewinnerzielung ist allerdings in den Tz. 3.34 VerwGr-TP überschießend und stellt ein erhebliches Risiko für Doppelbesteuerungen dar. An zentralen Stellen weichen die VerwGr-TP von den OECD-TPG in diesem Punkt ab: Während Tz. 3.64 OECD-TPG die Anerkennung von Verlusten grundsätzlich an die Erzielung von Gewinnen in der Zukunft knüpft, fordern die VerwGr-TP die Erzielung eines angemessenen Totalgewinns innerhalb eines rollierenden Zeitraums von 5 Jahren. Konkret bedeutet dies, dass hohe Verluste eines Jahres Gefahr laufen (widerlegbare Vermutung), korrigiert zu werden, wenn kumuliert über einen 5-Jahres-Zeitraum kein angemessener Gewinne erzielt wird.

Dienstleistungen

Tz. 3.64 ff. VerwGr-TP fassen die bekannten Grundsätze zur Dienstleistungsverrechnung zwischen verbundenen Unternehmen zusammen (insb. Benefit Test). Im Grundsatz gilt weiterhin, dass Dienstleistungen nach der Kostenaufschlagsmethode zu vergüten sind (Tz. 3.72 VerwGr-TP). Für die Beurteilung der Entgeltfähigkeit ist ein doppelter Benefit Test durchzuführen (Tz. 3.65 VerwGr-TP).

Routinedienstleistungen mit geringer Wertschöpfung (sog. Low-Value-Adding Services) werden in Anlehnung an die OECD-TPG (Tz. 7.45 ff. OECD-TPG) definiert und können im Regelfall mit einem Kostenaufschlag von 5% vergütet werden (Tz. 3.74 VerwGr-TP).

Das vermitteln von Dienstleistungen ist selbst als eigenständige Dienstleistung anzusehen (Tz. 3.66 VerwGr-TP) und grds. mit der Kostenaufschlagsmethode zu vergüten. Methodisch ist somit häufig die Berry Ratio anzusetzen, da als Kostenbasis nur die Kosten der Vermittlung und nicht die Kosten der vermittelnden Dienstleistung berücksichtigt werden sollen.

Immaterielle Werte

Begriffsverständnis

  • 1 Abs. 3c AStG regelt die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf immaterielle Werte. Die Gesetzesbegründung verdeutlicht bereits, dass diese Regelung in enger Anlehnung an die OECD-TPG zu verstehen ist. Entsprechend verweist auch Tz. 3.47 VerwGr-TP auf Kapitel VI der OECD-TPG.

Wie die OECD-TPG bleiben auch die VerwGr-TP unspezifisch hinsichtlich der Auslegung des Begriffs „immaterielle Werte“, insbesondere in Abgrenzung zum Begriff des immateriellen Wirtschaftsguts und des immateriellen Vermögensgegenstands. Eine Differenzierung immaterieller Werte in schwer zu bewertende immaterielle Werte (“hard-to-value-intangibles”) und andere immaterielle Werte ist nach Tz. 3.52 VerwGr-TP unbeachtlich, da § 1a AStG eine eigenstände Preisanpassungsklausel normiert.

Allerdings definiert § 138e Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Buchst. b) AO „schwer bewertbare immaterielle Werte“ als eines der verrechnungspreisbezogenen Kennzeichen für die Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen. Vor diesem Hintergrund wäre es wünschenswert gewesen, wenn sich die Finanzverwaltung zur Abgrenzung „schwer bewertbarer immaterieller Werte“ im Rahmen der VerwGr-TP explizit geäußert hätte.

 Anforderungen an die Entrichtung eines Entgelts

Wann konkret eine Verrechnung für die Überlassung zur Nutzung oder Übertragung wirtschaftlich zu erfolgen hat, hängt davon ab, ob damit eine finanzielle Auswirkung für den Übernehmer, den Nutzenden, den Übertragenden oder den Überlassenden verbunden ist. Aus dem unmittelbaren Wortlaut könnte gefolgert werden („oder“), dass es ausreichend ist, wenn eine finanzielle Auswirkung bei lediglich einer Transaktionspartei eintritt. In Tz. 3.49 VerwGr-TP präzisiert das BMF konsistent zu den allgemeinen Überlegungen zur Denkfigur des doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, dass eine Entgeltfähigkeit stets auch die Erzielung eines wirtschaftlichen Vorteils voraussetzt. Diese Einschätzung soll im Rahmen einer Ex-ante-Betrachtung erfolgen und losgelöst sein von dem tatsächlichen Eintritt dieses Vorteils. Ergänzend führt Tz. 3.51 VerwGr-TP aus, dass – vergleichbar der Methode zum Residual-Profit-Split – eine Vergütung für die Überlassung eines immateriellen Werts nur insoweit als fremdüblich einzustufen sei, als dem den immateriellen Wert nutzenden Unternehmen ein angemessener Betriebsgewinn verbleibt. Damit ist die Verrechnung von Lizenzentgelten an verlustige Gesellschaften aus Verwaltungssicht kritisch, zumindest wenn die Lizenznehmer mehrere Jahre Verluste erzielen.

Funktionsorientierte Vergütung nach dem DEMPE Konzept

Tz. 3.53 VerwGr-TP unterstreicht nochmals die Zuordnung von Erträgen aus immateriellen Werten basierend auf dem DEMPE-Konzept. Hierunter ist maßgebend, welche Gesellschaften in Bezug auf die Entwicklung (development), Verbesserung (enhancement), Erhaltung (maintenance), den Schutz (protection) und die Verwertung (exploitation) immaterieller Werte die maßgeblichen (Personal-)Funktionen ausüben, die personellen und finanziellen Kapazitäten zur Übernahme und Kontrolle der damit verbundenen Risiken haben und in welchem Umfang sie wertvolle immaterielle Werte einsetzen.

Übernehmen andere Unternehmen als der rechtliche Eigentümer DEMPE-Funktionen im Hinblick auf den immateriellen Wert, steht diesen ein fremdüblicher Anteil an den aus dem immateriellen Wert erzielten Erträgen zu. Bezugnehmend auf die Rechtsprechung des BFH zu einer funktionsorientierten Vergütung (BFH vom 9. August 2000, I R 12/99, BStBl II 2001 S. 140), geht die Finanzverwaltung davon aus, dass Lizenzraten unter dem Fremdvergleichsgrundsatz reduziert bzw. auf Null absinken können, wenn wesentliche DEMPE Funktionen vom Lizenznehmer ausgeübt werden.

Finanzierungstransaktionen

In Abschnitt J widmen sich die VerwGr-TP den Finanzierungsbeziehungen. Hierin bringt das BMF seine Ansicht zur Umsetzung des Fremdvergleichsgrundsatzes bei Finanzierungstransaktionen zum Ausdruck, welche bereits im Gesetzgebungsverfahren zum ATAD-UmsG und dem AbzStEntModG eingebracht wurden, aber letztlich keinen Eingang in das Gesetz gefunden haben.

Besicherungen

Nach Tz. 3.95 VerwGr-TP ist eine Besicherung grundsätzlich fremdüblich. Inwieweit eine Nichtbesicherung zwischen Nahestehenden fremdüblich sein kann, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Bei der Beurteilung seien nach Verwaltungsauffassung folgende Aspekte im Rahmen einer Gesamtschau von besonderer Bedeutung:

  • Verhalten der Unternehmensgruppe gegenüber fremden Dritten
  • Wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit
  • Realistisch zur Verfügung stehende Handlungsalternativen
  • Erwartete Befriedigung von Ansprüchen
  • Darlehenssumme
  • Geschäftsstrategie des Darlehensgebers

Finanzierungsgesellschaften

Grundsätzlich soll die Bestimmung eines fremdüblichen Zinssatzes auf Grundlage des Funktions- und Risikoprofils erfolgen. Sind die Funktionen und Risiken einer Finanzierungsgesellschaft in Bezug auf die Befugnis, das Risiko von Investitionen in einen finanziellen Vermögenswert zu kontrollieren oder es zu tragen, erhält sie lediglich eine risikolose Vergütung auf Grundlage der Kostenaufschlagsmethode; Refinanzierungskosten sind mit einer risikolosen Rendite zu berücksichtigen.

Ob diese Überlegungen tatsächlich dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend, ist zweifelhaft. Die dem Fremdvergleichsgrundsatz zugrundeliegenden ökonomischen Prinzipien würden u.E. stets ein Ausfall- und Zinsrisiko in den Zinssatz einpreisen, sofern nicht der Darlehensnehmer selbst die zentralen Funktionen und Risiken steuert. In diesen Fällen wäre der Zinssatz zwischen der Finanzierungsgesellschaft und dem Darlehensnehmer anhand von Fremdvergleichsdaten zu bestimmen. Übernimmt eine andere Gruppengesellschaft als die Finanzierungsgesellschaft zentrale Funktionen im Zusammenhang mit der Finanzierungsfunktion, so wäre ggf. in einem zweiten Schritt eine Einkünftekorrektur zwischen dieser und der Finanzierungsgesellschaft zu prüfen. Die Absenkung des Zinssatzes zwischen der Finanzierungsgesellschaft und dem Darlehensnehmer entspricht u.E. jedoch nicht den Anforderungen an den Fremdvergleichsgrundsatz.

Cash Pool

Die Finanzverwaltung geht in Tz. 3.98 VerwGr-TP grundsätzlich von einer Vergütung des Cash Poll-Leiters nach Maßgabe der Kostenaufschlagsmethode (Mark-up 5%-10%) zu vergüten. Die Finanzverwaltung geht im Grundsatz davon aus, dass der Cash Pool-Leiter eine funktions- und risikoarme Dienstleistung erbringt. Sodann würden die Vorteile (Synergien) fast ausschließlich durch das Zusammenwirken der Cash Pool-Teilnehmer generiert werden und sollten unter diesen angemessen aufgeteilt werden (Tz. 3.99 VerwGr-TP).

Zugleich betonen die VerwGr-TP richtigerweise, dass letztlich das tatsächliche Funktions- und Risikoprofil im jeweiligen Einzelfall entscheidend ist. Somit sind in Abhängigkeit des Funktions- und Risikoprofils auch andere Verrechnungspreismethoden und höhere Vergütungen für den Cash Pool Leiter denkbar.

Zusammenfassung

Es ist aus unserer Sicht erfreulich, dass sich die Finanzverwaltung mit ihren VerwGr-TP den internationalen Verrechnungspreisgrundsätzen öffnet und dadurch ein großer Schritt in eine Harmonisierung des internationalen Fremdvergleichsgrundsatzes geht. Vor dem Hintergrund von Doppelbesteuerungsrisiken ist es schade, dass an einigen Stellen die VerwGr-TP restriktive und pro-fiskalisch motivierte Regelungen (z.B. Verluste, Finanztransaktionen) enthält, welche in einem Spannungsfeld zum internationalen Kompromiss der OECD-TPG stehen.

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